Schule der Gemeinde Köttingerhöhe 1859 – 1879

Info-Station 85 im Wisserland

im Grüntal, am Wanderweg "Sieghöhenweg S" des Westerwald-Vereins, zwischen den Ortslagen Weidacker und Köttingerhöhe/Hausen
57537 Wissen

Kurzbeschreibung

Ein Schulgebäude mitten im Wald, wo gibt's denn sowas? Hier im Grüntal stand 20 Jahre lang eine Schule, weit weg von allen Wohnhäusern und Gehöften. Erfahre hier mehr darüber, wie unsere Vorfahren zur Schule gehen mussten.

Beschreibung

Am Wanderweg im Grüntal steht ein Holzkreuz. An dieser Stelle stand von 1859 bis zu einem vernichtenden Brand am 13. Juni 1879 die katholische Schule der ehemaligen Gemeinde Köttingerhöhe (heute Stadt Wissen, Stadtteil Köttingerhöhe). Im Jahr 1876 gingen hier 56 Kinder zur Schule.

Warum stand diese Schule abgelegen mitten in der Natur? Warum mussten die Kinder gerade im Winter gefährliche Wege und Pfade nutzen, um täglich ihre Schule zu erreichen? Auf welchen Höfen in der Umgebung wohnten die Schulkinder? Wie sah die Schule aus, und was sagte der Lehrer über den einsamen Standort im Grüntal?

Schon lange wurde im Wissener Stadtteil Köttingerhöhe gerätselt, wo genau im idyllischen Grüntal das Schulhaus gestanden haben könnte. Ein Wegekreuz befand sich seit vielen Jahren etwas weiter oberhalb des heutigen Standortes, aber hat dort wirklich das Gebäude gestanden? Vermutet wurde es auch etwas weiter oberhalb im Waldbestand. Im Jahr 2018 entdeckten die Grundstückseigentümer (Erben Ernst Theis) zufällig Nägel, Scherben und verkohltes Holz unter der Grasnarbe. Beim Blick in alte Katasterkarten war dann schnell klar: genau hier hatte das Schulhaus gestanden, war der Umriss doch in einer alten Karte noch eingezeichnet. Mittels GPS wurde die genaue Position bestimmt.

Bei darauf folgenden Handschachtungen wurden sodann immer mehr verkohlte Balken, Nägel, Scherben, Türzargen und Lehmreste gefunden. Die Umrisse der Grundmauern wurden sorgsam freigelegt. Der Standort der Schule war gefunden, und der Beweis für das verheerende Feuer war erbracht.

Von großem Interesse war und ist die Frage: Warum wurde von den damaligen Bewohnern der Gemeinde Köttingerhöhe ein Schulhaus mitten in die Natur gebaut? Der Grund dürfte die zentrale Lage zwischen den 14 Weilern und Gehöften gewesen sein, welche zum damaligen Schulbezirk gehörten. Die Schulkinder kamen seinerzeit aus zahlreichen Wohnstellen in der Umgebung. In einem Bericht über die Schul-Untersuchung aus dem Jahr 1876 heißt es: „Es sind 56 Kinder darin, 11 aus Köttingen, 5 aus Paffrath, 10 aus Ende, 11 aus Hausen, 4 aus Glatteneichen, 2 aus Nisterberg, 3 aus Nisterstein, 8 aus Weidacker, 1 aus Hahn (Hahnhof) und 1 aus dem Grünthal. Die Entfernungen vom Schulort betragen bis zu 20 Minuten“.

In heutiger Zeit undenkbar: Eine nicht durch ausgebaute Straßen erschlossene Schule mitten im Wald. Die Kinder mussten „über Stock und Stein“ gehen – gerade im Winter ein gefährliches Unterfangen. Der Lehrer Peter Demmer, welcher von 1859 bis 1873 in der einsam gelegenen Schule unterrichtete und wohnte, schrieb schon 1860 in einem Brief an Bürgermeister Mertens zu Wissen:

Seit dem 3. November vorigen Jahres ist nun die Schule im neuen Hause und wohn ich auch seit dieser Zeit darin. Die engen und steilen Pfade, die von den einzelnen Höfen, durch Gesträuch, Sümpfe, Morast und an gefährlichen Abhängen vorbei, zum Schulhaus führen, sind jedoch immer dieselben geblieben, obgleich ich im Monate Januar des Jahres Vorsteher Rödder (Anmerkung: Gemeinde Köttingerhöhe) ersuchte, er möge doch die Wege bauen lassen, damit Unglücke verhütet würden.

Ich selbst bin auf einem Wege, den auch die Schulkinder gehen müssen, vor etwa drei Wochen gefallen, dass ich glaubte einen Arm gebrochen zu haben, und noch heut Schmerzen davon verspüre. Als ich eines Tages Geschäftehalber nach Wissen musste, bin ich auf dem Rückwege den Pfad, welcher vom Hofe Paffrath zum Schulhaus führt, förmlich herunter gekrochen, wobei mir trotz aller Kälte der Schweiß ausbrach. Solche Wege führen zum Schulhause und diese sollen die armen Kinder gehen.

Bekanntlich hat uns der Monat Februar den eigentlichen Winter gebracht. Fast diesen ganzen Monat hatten wir Kälte, Sturm und Schnee. Durch den Frost wurden die Wege zu unserem Schulhause (wenn ich sie Wege nennen darf) glatt und gefährlich, weil es fast auf alle Höfe Berg auf und Berg ab geht. Wer hätte nicht schon bei diesem Wetter erbarmen gehabt, mit den Schulkindern von Köttingerhöhe! Oft, wenn ich ihnen nachsah, musste ich sehen, wie sie so mühsam und beschwerlich, Schritt für Schritt die gefahrvollen Wege gingen. Musste sehen, wie sie oft ausglitten und dahinfielen; ich konnte sie nur bemitleiden. Durch den im Februar gefallenen tiefen Schnee und durch den Sturm wurde der Gang zum Schulhause für die Kinder noch mehr erschwert. Der Schnee lag fußhoch; Das Gesträuch wurde vom Schnee beschwert und hing so über die engen Pfade, dass man gar keinen Weg mehr erkannte. Die wenigen Kinder, die nun in diesem wüsten Wetter die Schule besuchten, kamen kalt und nass in die Schule; namentlich waren ihre bein- und Fuß Kleider ganz durchnässt, denn sie mussten bis an den Knien im Schnee waten (…) Welcher Unmensch ließe seine Kinder im Winter einen halben Tag mit nassen Kleidern ruhig sitzen und ich sollte dies als Lehrer thun können = Wo bliebe dann die Liebe zu den Kindern! Menschen ohne Gefühl können so etwas thun und verlangen; ich nicht (…) Ein Familienvater sagte mir: „Ich wollte lieber jeden Tag 1 Thaler bezahlen, als in diesem Wetter meine Kinder zur Schule zu schicken und sie dann nachher auf dem Bette liegen sehen oder gar auf den Kirchhoff tragen sehen“.

Trotz dieser Tatsache blieb die Schule bis zu ihrem Brand im Jahre 1879 in Betrieb. Das Schulgebäude unterteilte sich in das Klassenzimmer und die Lehrerwohnung mit kleinem Kuhstall als Anbau oder in einem Keller. Das Schulzimmer hatte lt. Revision im Jahr 1878 folgende Maße: 6,60 m lang, 4,90 m breit und 2,80 m hoch.

Außerhalb des Gebäudes war ein Garten angelegt worden, sowie eine Wiese als Turnplatz. Der Bau des Schulhauses im Grüntal veränderte die direkte Umgebung, so wie sie heute noch als Weideland vorzufinden ist. Hierzu schrieb Lehrer Demmer 1864:

Als ich im Jahre 1859 das in der Mitte des Waldes gelegene, ganz von Bergen eingeschlossene Schulhaus von Köttingerhöhe bezog, war alles wild und öde hier; es standen Sträucher bis dichte am Hause. Ich unterzog mich der Mühe den mir übergebenen schiefen Abhang umzuschaffen; arbeitete 3 Jahre lang an freien Tagen und Stunden unablässig, trug hunderte von Körben mit Grund von einer Stelle zur andern und erhielt endlich einen in vier Terrassen angelegten, schönen Garten (…) ich machte einen Zaun um Garten und Baumschule und setzte dazwischen weißdornpflanzen zu einer lebendigen Hecke (…) Der Gemeinderath, der nur aus Ackersleuten besteht, weiß es noch besser, wie ich aus Erfahrung, dass man in einem aus Hauberg zu Garten umgewandelten Stück, trotz vielem Dünger keine Gemüse ziehen kann; Dass überhängt Jahre darüber vergehen, ohne ein solchen Boden zu Gartengrund veredelt ist (…) Jetzt, wo ein schöner Garten bei der Schule ist, wird es leichtes werden, ein Lehrer hier hin zu bekommen, was sonst sicherlich schwer gefallen hätte, denn unter den vielen Kollegen, die mich besuchten, ehe der Garten hier war, fand sich auch nicht einer, dem die hiesige Schule, fern von allen Menschen zugesagt hätte. Alle schauderten vor der Wildnis zurück. Jetzt sind die Ansichten aber anders, denn bei keiner Schule in der ganzen Bürgermeisterei Wissen ist ein so schöner Garten, wie hier.“

Warum die Schule am 13. Juni 1879 bis auf die Grundmauern abbrannte, ist unbekannt. Dass es ein alles vernichtender Brand gewesen sein muss, beweisen die Funde im Jahr 2018 auf dem Areal: verkohlte Balken wurden überall im Erdreich konserviert, geschmolzenes Glas war mehrfach zu finden. Bis heute hält sich das Gerücht, das Schulhaus sei angezündet worden, da es bei den Bewohnern der Gemeinde und den dort tätigen Lehrern gleichsam wegen seiner Lage unbeliebt war. Nach der Zerstörung wurden die Schüler*innen in privaten Wohngebäuden im Gehöft Hausen (u. a. Häuserweg Nr. 23, noch erhalten und bewohnt) unterrichtet. Ob die „alte Schule“ heute noch im Grüntal stehen würde, wenn es das verheerende Feuer nicht gegeben hätte? Dies ist eher unwahrscheinlich, das Gebäude wäre sicherlich als Schule früher oder später aufgegeben worden. Was als Erinnerung bleibt, sind die im Grüntal gefundenen Scherben, Reste des Fachwerks und Teile der Grundmauern. Ernst Klein, geboren 1932 in Hausen, erinnerte sich: „Mein Onkel hat diese Schule im Grüntal damals besucht“.

Das Wegekreuz, welches an die alte Schule erinnert, wurde 2021 erneuert. Es wurde von Klaus Wolsing (Birken-Honigsessen) gezimmert und gemeinsam mit Jochen Stentenbach aufgestellt. Finanziell unterstützt wurde das Projekt durch Ernst Klein.

Fotos und Rekonstruktion des Schulhauses aufgrund der gefundenen Materialien: Andrea Stentenbach

Fotos:

Fundsachen aus Eisen, Lehm, Keramik und Holz sowie Glas (teils beim Brand geschmolzen), u. a. Zahnrad der Schul-Uhr

– ähnliches Schulgebäude im Landschaftsmuseum Westerwald (Hachenburg)

Quellennachweis: Landeshauptarchiv Koblenz, ACTA betreffend katholische Elementarschule zu Koettinger Hoehe, Hausen

Übersetzung und Auswertung aus der Deutschen Kurrentschrift: Andrea Stentenbach

Text: Jochen Stentenbach

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